EDEKOLO
EDEKA bedeutet Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler im Halleschen Torbezirk zu Berlin. Aus dem Akronym machten wir ein herausforderndes EDEKOLO. Dieses Akronym von Dekolonisation spielt auf die postkoloniale Debatte an. An diesem Datum feiert das Firmenlogo, siehe unten, den hundertsten Geburtstag. Warum wird eine Aufdeckung im Sinn von Felix Mendelssohn Bartholdy im selben Land als Anathema betrachtet?
Nach der Erstaufführung von Johann Sebastian Bachs Matthäus Passion, weilte das musikalisch-christliche Kunstwerk hundert Jahre im Dornröschenschlaf, bis es durch den Berliner Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy zum dauerhaften Publikumserfolg wurde. Zum heutigen Kolonialismus- und Dekolonisierungsdiskurs lässt sich ein ähnlicher Ablauf erblicken. Weltweit folgenschwere Ereignisse im Winter 1919 blieben ebenfalls ein Jahrhundert lange unter dem Radar der Geschichtsschreibung, bis diese in de Bourgraafs Centenaire-Buch „Hundert Jahre Urkatastrophe. Der Kolonialvertrag 1919“ (Göttingen 2018) zu Tage gefördert wurden.
Dies lässt sich auf die aktuelle Bedeutung von Deutschlands „Mutterland“-Geschichte herunterbrechen. Aus jahrelangen Forschungen in der Erscheinungsform eines niederländischen Historikers und Deutschlandexperten geht hervor, dass nahezu keiner weiß, was der millionenfach bekannte Firmenname des Berliner Supermarktes bedeutet. Niemand Befragtem gelang es, die Frage nach dem brisanten – K – zu beantworten. Auf Nachfrage zeigte sich die Firmaleitung dazu "kommentarlos". Ebenso wenig ist dem Konsumenten bekannt, dass dieses Unternehmen in der Metropole (Hauptstadt eines Kolonialreiches) gegründet wurde.
Nicht nur die Deutschen tun sich bekanntlich bei der Aufarbeitung der Kolonialgeschichte schwer. Zum jüngst vergangenen Jahrhundertgedenken zum Ersten Weltkrieg versagten nicht nur sie, sondern auch Europa insgesamt. Mutterseelenallein und letztendlich vor einem verstummten Öffentlichkeit hierzulande zeigten dies am 28. Juni 1919 die Amerikaner dadurch, dass sie das Ende des Great War in Versailles feierten. Nicht, dass im Bildungsprogramm dieses Tages in Erinnerung gebracht wurde, dass die etablierten Kolonisatoren im Anfangsakt der Pariser Friedenskonferenz heimlich den deutschen Juniorpartner richteten, bevor es fünf Monate später zur bekannten Kriegsschuldfrage kam. Was hat es mit der „kolonialen Kriegsschuldlüge“ auf sich?
Am Tag nach der Eröffnung dieser Konferenz im verlängerten Waffenstillstand trat Deutschlands erster Kolonialminister in Weimar/Berlin sein Amt an. Fünf Monate später trat Philipp Scheidemann vom ersten Ministerpräsidentenamt des Nachfolgestaates des Deutschen Kaiserreiches zurück, weil er den Entwurf des Versailler Vertrages als würgendes Diktat betrachtete (in ähnliche Worte fasste es im finalen Gedenkjahr 2019 ein Berliner Professor im Begleitheft zur Ausstellung des Stadtmuseum Berlin, siehe Gründungsmanifest). Damit wurde Johannes Bell, der erste Kolonialminister Deutschlands, zum letzten Verwalter dieses Amtes, weil es infolge des kolonial verheerenden Vertrags kommentarlos ausgesetzt bzw. aufgehoben wurde. Dieser wurde von Bell in seiner neuen Funktion als Verkehrsminister unterschrieben. Weniger als der Schuldfrage haftet den wegweisenden Kolonialbestimmungen von Paris/Versailles ein totalitäres Merkmal an. Nicht nur die Kolonien wurden eine nach der anderen beschlagnahmt, sondern – bis auf zehn Prozent des nichtmilitärischen Bestandes – auch die beiden Flotten. Damit veranlassten die britische Delegation und Englands Kolonisten bzw. die überraschende Empire-Delegation (British Imperial Delegation) unter der Führung des Kolonialhelden Jan Christian Smuts die lückenlose Vernichtung des deutschen Kolonialreiches. In der Folge musste Weimardeutschland – ebenfalls in einem eindeutigen Widerspruch zum Waffenstillstandsabkommen – auf 95% des außereuropäischen Verkehrs verzichten.
Was genau befürchtet die Berliner Konzernleitung? Nicht das Muster der "verspäteten Nation", welche bekanntlich zum jüngsten Kolonisator wurde, nach dem den Anderen beim Aufarbeiten von der Bundesrepublik Deutschland erneut gefolgt worden wäre. Vielmehr ergibt das einzigartige Phänomen der "doppelten Dekolonisierung", welcher letztendlich aus Deutschlands "weißer Dekolonisierung" von 1919 hervorgeht, Chancen, die weltweit brenzlige Debatte sowohl zu erneuern als auch zu entschärfen.